Friedenswerkzeug werden



Ich bin kein Christ, aber gelegentlich entdecke ich christliche Texte, denen ich zustimmen und die ich zu den meinen machen kann. Folgender Gebetstext erscheint mir doppelt gut: zum einen, weil er eine klare Gegenposition zur aufkeimenden Kriegsbegeisterung bezieht (er wird gern Franz von Assisi zugeschrieben, entstand aber vermutlich 1912 kurz vor dem Ersten Weltkrieg), zum anderen wegen seines mystischen Charakters. Erst in der Stille entfalten diese Worte ihre Kraft:

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt;
dass ich verbinde da, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht;
dass ich Zuversicht bringe, wo der Zweifel quält;
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung droht;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

O Herr, lass mich trachten:
nicht nur, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste,
nicht nur, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe,
nicht nur, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe,
denn wer sich hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Kommentare

  1. lauter begriffe, die in unser schnellen, lauten welt in vergessenheit geraten zu sein scheinen... beleben wir sie neu - ist mir aus dem herzen gesprochen danke!

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  2. Ja, sie neu ins Herz zu heben, bedeutet schon eine Menge. Es sind ja vergessene Schätze.

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  3. Ja, ein wunderbarer Text, dem ich seit langem folge <3

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    1. Ja, liebe Ulla. Und doch kommt immer wieder Unfrieden in mir auf, dem ich nur Paroli bieten kann, indem ich ihn anschaue.

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